Выстрел. Часть 2

Es vergingen mehrere Jahre, und die Familienverhältnisse zwangen mich, in ein armes Dörfchen des N***schen Kreises zu ziehen. Ich beschäftigte mich zwar mit der Bewirtschaftung des Gutes, hörte aber nicht auf, im Geheimen meinem früheren lärmenden und sorglosen Leben nachzuseufzen. Am schwersten fiel es mir, mich daran zu gewöhnen, die Frühlings- und Winterabende in voller Vereinsamung zuzubringen. Die Zeit vor dem Mittagessen gelang es mir noch irgendwie totzuschlagen: ich sprach mit dem Dorfschulzen, sah mir die Arbeiten an oder machte einen Rundgang durch die neuen Gebäude; aber sobald es zu dunkeln anfing, wußte ich gar nicht, was anzufangen. Die wenigen Bücher, die ich unter den Schränken und in der Vorratskammer gefunden hatte, wußte ich bereits auswendig.

Alle Märchen, die die Haushälterin Kirilowna nur wüßte, hatte sie mir schon erzählt; die Lieder der Bauernweiber langweilten mich. Ich machte mich schon an den ungesüßten Fruchtschnaps, aber davon bekam ich Kopfweh; auch fürchtete ich, offen gestanden, mich aus Kummer dem Trunke zu ergeben, also Quartalsäufer zu werden, wofür es in unserem Kreise mehrere Beispiele gab. Nahe Nachbarn hatte ich nicht, mit Ausnahme von zwei oder drei Quartalsäufern, deren Unterhaltung hauptsächlich im Aufstoßen und Seufzen bestand. Die Einsamkeit war schon leichter zu ertragen. Endlich entschloß ich mich, so früh als möglich zu Bett zu gehen und so spät als möglich zu Mittag zu essen. Aus diese Weise verkürzte ich den Abend und verlängerte den Tag; und ich fand, daß es gut war.


Vier Werst von mir lag ein großes Gut, das der Gräfin B*** gehörte; es war nur vom Verwalter allein bewohnt; die Gräfin war auf ihr Gut nur einmal im ersten Jahre nach ihrer Verheiratung gekommen und hatte hier keinen vollen Monat verbracht. Aber im zweiten Frühling meines Einsiedlerlebens kam das Gerücht auf, daß die Gräfin mit ihrem Manne für den Sommer auf das Gut kommen würde. Sie trafen in der Tat Anfang Juni ein. Die Ankunft eines reichen Nachbarn ist ein wichtiges Ereignis für alle Landbewohner. Die Gutsbesitzer und ihr Gesinde sprechen davon zwei Monate vorher und drei Jahre nachher. Was aber mich betrifft, so muß ich gestehen, daß die Nachricht von der Ankunft der jungen und schönen Nachbarin einen großen Eindruck auf mich machte; ich brannte vor Ungeduld, sie zu sehen, und so begab ich mich am ersten Sonntag nach ihrer Ankunft nach dem Essen ins Kirchdorf ***, um den beiden Erlauchten als nächster Nachbar und ergebenster Diener meine Aufwartung zu machen.

Ein Lakai führte mich in das Kabinett des Grafen und ging, um mich anzumelden. Das geräumige Zimmer war mit dem größten Luxus ausgestattet; an den Wänden standen Schränke mit Büchern und auf jedem von ihnen eine Büste aus Bronze; über dem Marmorkamin hing ein breiter Spiegel; der Fußboden war mit grünem Tuch ausgeschlagen und mit Teppichen bedeckt. Da ich mir in meiner ärmlichen Behausung jeden Luxus abgewöhnt und schon lange keinen fremden Reichtum gesehen hatte, wurde ich hier von einer gewissen Scheu ergriffen und erwartete den Grafen mit Beben, wie ein Gesuchsteller aus der Provinz das Erscheinen eines Ministers erwartet. Die Tür ging auf, und ein hübscher Mann von etwa zweiunddreißig Jahren trat ein. Der Graf näherte sich mir mit der herzlichsten und freundschaftlichsten Miene, ich machte mir Mut und fing an, mich vorzustellen, aber er kam mir zuvor. Wir setzten uns.

 Seine ungezwungene und liebenswürdige Unterhaltung zerstreute bald meine linkische Scheu; ich fing schon an, meine gewöhnliche Stimmung wiederzugewinnen, als plötzlich die Gräfin erschien, und sich meiner eine noch größere Verlegenheit bemächtigte. Sie war in der Tat eine Schönheit. Der Graf stellte mich ihr vor; ich wollte ungezwungen erscheinen, aber je mehr ich mich bemühte, mir eine ungezwungene Miene zu geben, um so verlegener fühlte ich mich. Um mir Zeit zu lassen, mich zu beruhigen und mich an die neuen Bekannten zu gewöhnen, fingen sie an, miteinander zu sprechen, wie man es ungezwungen in Gegenwart eines guten Nachbarn tut. Ich fing indessen an, auf und abzugehen und mir die Bucher und die Bilder anzusehen.

Von Bildern verstehe ich nicht viel, aber eines zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es stellte irgendeine Schweizer Landschaft dar; mich fesselte aber nicht die Malerei, sondern der Umstand, daß das Bild von zwei Kugeln durchbohrt war, die aufeinander saßen. »Ein vorzüglicher Schuß,« sagte ich, mich an den Grafen wendend. – »Ja,« antwortete er, »es ist ein merkwürdiger Schuß. Schießen Sie gut?« fuhr er fort. – »Nicht schlecht,« antwortete ich, erfreut, daß das Gespräch endlich einen mir vertrauten Gegenstand berührte.

»Auf dreißig Schritte Distanz verfehle ich keine Karte, natürlich mit einer Pistole, die ich schon kenne.« – »Wirkliche« fragte die Gräfin mit dem Ausdrucke eines großen Interesses. »Kannst auch du, mein Freund, eine Karte auf dreißig Schritte Distanz treffen?« – »Das wollen wir einmal versuchen,« antwortete der Graf. »Zu meiner Zeit schoß ich nicht schlecht; aber seit vier Jahren habe ich keine Pistole mehr angerührt.«  – »Ah,« bemerkte ich, »in diesem Falle möchte ich wetten, daß Erlaucht auch auf zwanzig Schritte Distanz keine Karte treffen werden; die Pistole verlangt tägliche Übung.

Das weiß ich aus Erfahrung. In unserem Regiment galt ich als einer der besten Schützen. Einmal traf es sich, daß ich einen ganzen Monat keine Pistole anrührte, denn die meinigen waren in Reparatur. Und was glauben Sie, Erlaucht: als ich wieder zu schießen begann, verfehlte ich viermal hintereinander eine Flasche auf zwanzig Schritte Distanz. Wir hatten einen Rittmeister, einen geistreichen Witzling; er war zufällig dabei und sagte mir: ›Ich weiß, Bruder, du kannst deine Hand nicht gegen eine Flasche erheben.‹ Nein, Erlaucht, man soll die tägliche Übung nicht für gering halten, sonst verlernt man es ganz. Der beste Schütze, den ich jemals gesehen habe, pflegte jeden Vormittag wenigstens dreimal zu schießen. Das war bei ihm Sitte wie das Glas Branntwein vor dem Essen.«


Der Graf und die Gräfin freuten sich, daß ich so gesprächig geworden war. »So, wie schoß er denn?« fragte mich der Graf. – »Nun, Erlaucht: wenn er mal eine Fliege auf der Wand sitzen sah ... Sie lachen, Gräfin? Bei Gott, es ist wahr... Wenn er eine Fliege sah, rief er gleich: ›Kusjka, die Pistole!‹ Kusjka bringt ihm die geladene Pistole. Paff, und die Fliege steckt schon tief in der Wand!« –


»Erstaunlich!« sagte der Graf. »Und wie hieß er?« – »Silvio, Erlaucht.« – »Silvio!« rief der Graf und sprang von seinem Platze auf. »Sie kannten also Silvio?« – »Gewiß, Erlaucht, wir waren Freunde; er wurde in unserem Regiment als Kamerad behandelt; aber seit fünf Jahren habe ich von ihm nichts mehr gehört. Also haben auch Sie ihn gekannt, Erlaucht?« – »Ja, sogar sehr gut. Hat er Ihnen nicht von einem sehr seltsamen Erlebnis erzählt?« – »Meinen Erlaucht vielleicht die Ohrfeige, die er auf einem Balle von einem jungen Taugenichts bekommen hat?«  – »Hat er Ihnen nicht den Namen dieses Taugenichtses genannt?«  – »Nein, Erlaucht, er hat ihn nicht genannt... Ach, Erlaucht!« fuhr ich fort, die Wahrheit ahnend: »Entschuldigen Sie ... ich habe es nicht gewußt ... waren Sie es?« ... – »Ja, ich,« antwortete der Graf mit höchst verlegener Miene, »und das durchschossene Bild ist ein Andenken an unsere letzte Begegnung.« – »Ah, Liebster,« sagte die Gräfin: »um Gottes willen, erzähle es nicht. Es wird mir schrecklich sein, es zu hören.« – »Nein,« entgegnete der Graf, »ich will alles erzählen; er weiß, wie ich seinen Freund beleidigt habe; soll er nun hören, wie Silvio sich an mir gerächt hat.«

 Der Graf schob mir einen Sessel hin, und ich hörte mit gespanntester Neugier folgende Erzählung: »Vor fünf Jahren habe ich geheiratet. Den ersten Monat verbrachte ich hier in diesem Dorfe. Diesem Hause danke ich die schönsten Augenblicke und zugleich eine der schrecklichsten Erinnerungen. Abends ritten wir beide aus; das Pferd meiner Frau scheute; sie erschrak, gab mir die Zügel und ging zu Fuß nach Hause. Ich ritt voraus. Auf unserem Hofe traf ich einen Reisewagen; man sagte mir, daß in meinem Kabinett ein Mann sitze, der seinen Namen nicht nennen wollte und einfach gesagt habe, daß er mit mir etwas zu erledigen hätte...

 Ich trat in dieses Zimmer und erblickte in der Dunkelheit einen mit Staub bedeckten bärtigen Mann; er stand hier am Kamin. Ich ging auf ihn zu und versuchte mich zu erinnern, wo ich dieses Gesicht schon einmal gesehen hätte. ›Du hast mich nicht wiedererkannt, Graf?‹ fragte er mit zitternder Stimme. – ›Silvio!‹ rief ich aus, und ich muß gestehen, ich fühlte, wie mir die Haare zu Berge standen. –,Ja, das bin ich,‹ fuhr er fort,‹ ›Ich habe noch einen Schuß und bin hergekommen, um meine Pistole zu entladen; bist du bereit?« In seiner Seitentasche steckte wirklich eine Pistole. Ich maß zwölf Schritte ab, stellte mich dort in den Winkel und bat ihn, schneller zu schießen, ehe meine Frau zurückkäme.

Er zögerte und verlangte Licht. Man brachte Kerzen. Ich schloß die Türe zu, befahl niemand hereinzulassen und bat ihn wieder, zu schießen. Er holte seine Pistole aus der Tasche und zielte... Ich zählte die Sekunden und dachte an sie... So verging eine entsetzliche Minute. Silvio ließ die Hand sinken. ›Es tut mir leid,‹ sagte er, ›daß die Pistole nicht mit Kirschkernen geladen ist ... die Kugel ist schwer. Ich habe das Gefühl, daß es kein Duell sei, sondern ein Mord: ich bin nicht gewohnt, auf einen Wehrlosen zu schießen. Fangen wir von vorn an; losen wir, wer zuerst schießen soll.‹

Der Kopf schwindelte mir... Ich glaube, ich wollte darauf nicht eingehen. Endlich wurde noch eine Pistole geladen; wir rollten zwei Zettel zusammen; er legte sie in die Mütze, die ich einst durchlöchert hatte; und ich zog wieder Nummer eins heraus. ›Du hast teuflisches Glück, Graf,‹ sagte er mit einem Lächeln, das ich niemals vergesse. Ich begreife nicht, was mit mir los war und wie er mich dazu hat zwingen können ... aber ich schoß und traf dieses Bild hier.« (Der Graf zeigte mit dem Finger auf das durchbohrte Bild; sein Gesicht glühte wie Feuer; die Gräfin war weißer als ihr Taschentuch; ich konnte mich nicht eines Ausrufes enthalten.)
»Ich schoß,« fuhr der Graf fort, »und fehlte Gott sei Dank; nun begann Silvio .... (in diesem Augenblick war er wirklich schrecklich) begann Silvio zu zielen. Plötzlich geht die Tür auf, Mascha stürzt herein und wirft sich mir schreiend um den Hals.

Ihre Gegenwart gab mir meinen Mut wieder. ›Liebste,‹ sagte ich ihr, ›siehst du denn nicht, daß wir scherzen? Wie erschrocken du bist. Geh', trink' ein Glas Wasser, und dann komm' wieder zurück; ich will dir einen alten Freund und Kameraden vorstellen.‹ Mascha wollte mir nicht recht trauen. ›Sagen Sie, spricht mein Mann die Wahrheit?‹ wandte sie sich an den schrecklichen Silvio: ›Ist es wahr, daß Sie beide scherzen?‹ – ›Er scherzt immer, Gräfin,‹ antwortete ihr Silvio. ›Einmal gab er mir im Scherz eine Ohrfeige; dann schoß er mir im Scherz eine Kugel durch diese Mütze; im Scherz hat er soeben fehlgeschossen; jetzt bin ich an der Reihe, zu scherzen...‹

Mit diesem Worte wollte er auf mich zielen ... in ihrer Gegenwart. Mascha warf sich ihm zu Füßen. ›Steh auf, Mascha, schäme dich‹ rief ich wütend. ›Und Sie, mein Herr, werden Sie mal aufhören, sich über ein armes Weib lustig zu machend Werden Sie schießen oder nicht? – › Nein, ich werde nicht,‹ antwortete Silvio. 'Ich bin befriedigt: ich sah deine Verwirrung und deine Angst, ich zwang dich, auf mich zu schießen. Für mich ist das genug. Du wirst mich nicht vergessen. Ich überlasse dich deinem Gewissen.‹ Er wollte schon hinausgehen, blieb aber noch in der Türe stehen, warf einen Blick auf das von mir durchlöcherte Bild, schoß darauf, fast ohne zu zielen, und verschwand. Meine Frau lag in einer Ohnmacht; die Diener wagten nicht, ihn zurückzuhalten und sahen ihn entsetzt an; er trat vor das Haus, rief seinem Kutscher und fuhr davon, ehe ich zur Besinnung kommen konnte.«

Der Graf verstummte. So erfuhr ich das Ende dieser Geschichte, deren Anfang mich einst in solches Erstaunen versetzt hatte. Den Helden dieser Geschichte sah ich niemals wieder. Man sagt, daß Silvio beim Aufstande Alexander Ypsilantis an der Spitze einer Abteilung Heteristen, die er befehligte, in der Schlacht bei Skulleni gefallen sei.

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