ie Bewohner der südöstlichen Regionen – um Monaro District, Goulburn,
Currockbilly Ranges, Mittagong, Burragorang - erzählen, dass
es eine Zeit gab, zu der kein einziges Känguru in Australien existierte. Und sie
berichten auch, dass das erste Känguru, getragen von dem stärksten Wind, der
jemals geweht hat, zur Welt kam.
Der Wind war aus den Ebenen gekommen. Er strich um die Macdonnell Gebirgskette,
wirbelte hierhin und dorthin, jagte zurück nach Nordwesten, ungefähr an
Perth und Fremantle vorbei, dann über die Australische Bucht und erstarb dann
irgendwo über der Tasmanischen See.
Bei all diesem Hin- und Herwehen hatte das erste Känguru eine beschwerliche Zeit. Es konnte nicht landen, immer wieder wurde es weiter geblasen oder hoch- und runter geschleudert. Es mühte sich
ab, Halt zu finden und streckte dabei seine Hinterbeine aus – und wären die nicht
so lang gewachsen, dann hätte es nie landen können. Außer vielleicht im Meer, wo es dann natürlich ertrunken wäre.
Der Häuptling war auf der Suche nach neuem Land. Die Angehörigen seines
Stammes – Aborigines wie er – hatten den Platz, wo sie monatelang geblieben
waren, ausgelaugt, Wild und Nahrung waren knapp geworden. Deshalb bemalte
sich der Häuptling mit der Farbe, die Glück bringen sollte, und machte sich daran,
neues und fruchtbares Weideland zu finden.
Viele Tage war er unterwegs, ohne dass er etwas wirklich Besseres fand und er war gerade dabei, zu seinem Stamm zurückzukehren, als eine kleine Biene, die Pollen von der Akazie sammelte, seine
Aufmerksamkeit erregte. Er beobachtete, wie sie zu einem Teich in der schwarzen
Erde am Fuße eines blühenden Baums hinunter tauchte. Wo Bienen waren
musste es auch Nahrung geben.
Der Häuptling beugte sich vorsichtig herunter und umschloss die Flügel des Insekts
mit Zeigefinger und Daumen der rechten Hand. Er befestigte etwas Honigwachs
auf dem Rücken der Biene. Von einem Baumwollstrauch, dessen weiße, reife
Hülsen schon aufgeplatzt waren, nahm er ein paar Fäden, legte sie auf das Wachs
und ließ die Biene frei. Die seltsame neue Last auf dem Rücken ließ das Insekt
schwerf ällig in Schlangenlinien fliegen. Für den Häuptling war es daher kein
Problem, ihr in Sichtweite zu folgen.
Weiter und weiter ging es, er schaute nicht rechts und nicht links, nicht nach
unten – immer nur nach oben, um den Flug der Biene folgen zu können.
Ihr Nest aber sollte er nicht erblicken.
Denn am Himmel geschah etwas, das seine Aufmerksamkeit fesselte – und schon verlor er die Spur der Biene. Dort oben entdeckte der Häuptling die merkwürdigste Wolke, die er je gesehen
hatte. Sie war sepiafarben und hatte schwarze Ränder. Sie wogte, kräuselte und
zerteilte sich, bauschte sich auf, zerbarst und franste aus. Lange, helle Spiralen
ergaben wundervolle Muster, zogen sich zusammen, lösten sich, mal sahen sie
schnurgerade aus wie Speere , mal waren sie gebogen wie ein Bumerang.
Ehrfurchtgebietende Dunstmassen zogen aus Westen heran. Felsen zersprangen, riesige
Wälle türmten sich auf und stürzten wieder zusammen. Gigantische Wälder
entstanden, bogen sich in einem gewaltigen Sturm und wurden vom Wüten des
Windes gefällt. Ungeachtet des Tumults oben in der Luft blieb die Erde unten
ruhig und heiter.
Das Unausweichliche einer Katastrophe stand bevor.
Auf einmal wurde es dunkel.
In einer Sekunde war es Nacht, alles war wie ausgelöscht. Aber am Himmel erschien
ein seltsames Licht. Lange Streifen flüssiges Feuer kamen von Süden und schossen quer hinüber von Pol zu Pol, wogten von Ost nach West. Rot und gelb, purpurfarben und braun, rosa und grau, gold und schwarz, weiß und hellgrün:
Alle diese Farben streckten sich wie lange Finger über den Erdball, kreuzten sich,
verschwanden.
Der unglückselige Aborigine hatte so etwas noch nie gesehen.
Aber er hatte davon gehört.
Ihm schien, dass es einem Menschen nur ein Mal im Leben vergönnt sei, so etwas
Phantastisches zu erblicken.
Er hockte sich hin.
Dann kam der Tornado. Lichter erloschen, Wolken zerstoben und die Nacht war
auf einmal sternenklar.
Aber der Wind heulte. Kurz über den Bäumen flog ein schwarzer Schatten vorbei.
Mit langen, herabhängenden Beinen und Klauen, nicht weit von des Häuptlings
Kopf entfernt. Das war ganz eindeutig ein Tier. Er konnte den Körper und den
Hals sehen, den Kopf, die Ohren, die Augen – aber im Nu war es verschwunden.
Irgendwie ahnte er, dass das etwas Essbares war. Er machte sich Mut und glaubte,
dass das Wesen nur vom Großen Geist geschickt worden sein konnte, denn
schließlich war er, der Häuptling, ja mit den magischen Farben bemalt. Er hatte
Hunger auf Fleisch und er war hier draußen auch nicht aus eigennützigen Gründen,
sondern weil er Nahrung für sein Volk suchte.
So legte er sich hin und schlief ein, im festen Glauben, dass er am nächsten Morgen
etwas Essbares finden würde.
Der Wind blies die ganze Nacht. Und er blies auch am Morgen noch. Aber der
Mann war sich sicher, dass ihm etwas Gutes bevorstand und er bewegte sich
nicht von der Stelle. Die Bienen waren wieder in den Akazien. Aber er hielt
nach dem seltsamen Tier Ausschau. Und es kam.
Es floss und flog dahin, so als wäre es vom Wind geboren, mit seinen langen
Beinen. Der schwarze Mann folgte ihm. Es war ein schrecklicher, mühsamer Weg.
Aber endlich sah er, wie sich das Tier mit seinen Klauen in einem Baum festkrallte,
von einer Windbö erwischt wurde und herab fiel. Wie der Blitz war es wieder
auf den Beinen, hüpfte durch den Busch und schon war es außer Sicht.
Der Häuptling kehrte um. Er verfolgte die Spuren des Tieres zurück und gelangte
in ein Gebiet, wo es Bienen gab und Vögel und viele Farne mit fleischigen Wurzeln.
Auch Samen tragende Gräser.
Dorthin machte sich sein Stamm schließlich auf den Weg und blieb viele Tage. Ab und zu sahen sie das unbekannte Tier mit den langen Beinen, aber es dauerte lange, bis sie es mit ihren Wurfspießen erwischen
und töten konnten. Das Fleisch war gut und das Fell gab einen guten Pelz ab.
Viele Jahre später fand man heraus, wie man die Tierhaut f ärben konnte. Die tiefroten Früchte des Blutbaums wurden in Wasser eingeweicht und nach einigen Tagen hatte das Fell die Farbe angenommen. Von da an haben die Aborigines alle Tierhäute so gefärbt.
Jeder hatte das Wunder in der Luft gesehen. Und alle glaubten, ihr Häuptling
habe es zusammen mit dem Großen Geist bewirkt. Und das Känguru – so nannten
sie das wunderliche Tier - sei von weit her übers Meer geschickt worden, um
ihnen beizustehen.
Currockbilly Ranges, Mittagong, Burragorang - erzählen, dass
es eine Zeit gab, zu der kein einziges Känguru in Australien existierte. Und sie
berichten auch, dass das erste Känguru, getragen von dem stärksten Wind, der
jemals geweht hat, zur Welt kam.
Der Wind war aus den Ebenen gekommen. Er strich um die Macdonnell Gebirgskette,
wirbelte hierhin und dorthin, jagte zurück nach Nordwesten, ungefähr an
Perth und Fremantle vorbei, dann über die Australische Bucht und erstarb dann
irgendwo über der Tasmanischen See.
Bei all diesem Hin- und Herwehen hatte das erste Känguru eine beschwerliche Zeit. Es konnte nicht landen, immer wieder wurde es weiter geblasen oder hoch- und runter geschleudert. Es mühte sich
ab, Halt zu finden und streckte dabei seine Hinterbeine aus – und wären die nicht
so lang gewachsen, dann hätte es nie landen können. Außer vielleicht im Meer, wo es dann natürlich ertrunken wäre.
Der Häuptling war auf der Suche nach neuem Land. Die Angehörigen seines
Stammes – Aborigines wie er – hatten den Platz, wo sie monatelang geblieben
waren, ausgelaugt, Wild und Nahrung waren knapp geworden. Deshalb bemalte
sich der Häuptling mit der Farbe, die Glück bringen sollte, und machte sich daran,
neues und fruchtbares Weideland zu finden.
Viele Tage war er unterwegs, ohne dass er etwas wirklich Besseres fand und er war gerade dabei, zu seinem Stamm zurückzukehren, als eine kleine Biene, die Pollen von der Akazie sammelte, seine
Aufmerksamkeit erregte. Er beobachtete, wie sie zu einem Teich in der schwarzen
Erde am Fuße eines blühenden Baums hinunter tauchte. Wo Bienen waren
musste es auch Nahrung geben.
Der Häuptling beugte sich vorsichtig herunter und umschloss die Flügel des Insekts
mit Zeigefinger und Daumen der rechten Hand. Er befestigte etwas Honigwachs
auf dem Rücken der Biene. Von einem Baumwollstrauch, dessen weiße, reife
Hülsen schon aufgeplatzt waren, nahm er ein paar Fäden, legte sie auf das Wachs
und ließ die Biene frei. Die seltsame neue Last auf dem Rücken ließ das Insekt
schwerf ällig in Schlangenlinien fliegen. Für den Häuptling war es daher kein
Problem, ihr in Sichtweite zu folgen.
Weiter und weiter ging es, er schaute nicht rechts und nicht links, nicht nach
unten – immer nur nach oben, um den Flug der Biene folgen zu können.
Ihr Nest aber sollte er nicht erblicken.
Denn am Himmel geschah etwas, das seine Aufmerksamkeit fesselte – und schon verlor er die Spur der Biene. Dort oben entdeckte der Häuptling die merkwürdigste Wolke, die er je gesehen
hatte. Sie war sepiafarben und hatte schwarze Ränder. Sie wogte, kräuselte und
zerteilte sich, bauschte sich auf, zerbarst und franste aus. Lange, helle Spiralen
ergaben wundervolle Muster, zogen sich zusammen, lösten sich, mal sahen sie
schnurgerade aus wie Speere , mal waren sie gebogen wie ein Bumerang.
Ehrfurchtgebietende Dunstmassen zogen aus Westen heran. Felsen zersprangen, riesige
Wälle türmten sich auf und stürzten wieder zusammen. Gigantische Wälder
entstanden, bogen sich in einem gewaltigen Sturm und wurden vom Wüten des
Windes gefällt. Ungeachtet des Tumults oben in der Luft blieb die Erde unten
ruhig und heiter.
Das Unausweichliche einer Katastrophe stand bevor.
Auf einmal wurde es dunkel.
In einer Sekunde war es Nacht, alles war wie ausgelöscht. Aber am Himmel erschien
ein seltsames Licht. Lange Streifen flüssiges Feuer kamen von Süden und schossen quer hinüber von Pol zu Pol, wogten von Ost nach West. Rot und gelb, purpurfarben und braun, rosa und grau, gold und schwarz, weiß und hellgrün:
Alle diese Farben streckten sich wie lange Finger über den Erdball, kreuzten sich,
verschwanden.
Der unglückselige Aborigine hatte so etwas noch nie gesehen.
Aber er hatte davon gehört.
Ihm schien, dass es einem Menschen nur ein Mal im Leben vergönnt sei, so etwas
Phantastisches zu erblicken.
Er hockte sich hin.
Dann kam der Tornado. Lichter erloschen, Wolken zerstoben und die Nacht war
auf einmal sternenklar.
Aber der Wind heulte. Kurz über den Bäumen flog ein schwarzer Schatten vorbei.
Mit langen, herabhängenden Beinen und Klauen, nicht weit von des Häuptlings
Kopf entfernt. Das war ganz eindeutig ein Tier. Er konnte den Körper und den
Hals sehen, den Kopf, die Ohren, die Augen – aber im Nu war es verschwunden.
Irgendwie ahnte er, dass das etwas Essbares war. Er machte sich Mut und glaubte,
dass das Wesen nur vom Großen Geist geschickt worden sein konnte, denn
schließlich war er, der Häuptling, ja mit den magischen Farben bemalt. Er hatte
Hunger auf Fleisch und er war hier draußen auch nicht aus eigennützigen Gründen,
sondern weil er Nahrung für sein Volk suchte.
So legte er sich hin und schlief ein, im festen Glauben, dass er am nächsten Morgen
etwas Essbares finden würde.
Der Wind blies die ganze Nacht. Und er blies auch am Morgen noch. Aber der
Mann war sich sicher, dass ihm etwas Gutes bevorstand und er bewegte sich
nicht von der Stelle. Die Bienen waren wieder in den Akazien. Aber er hielt
nach dem seltsamen Tier Ausschau. Und es kam.
Es floss und flog dahin, so als wäre es vom Wind geboren, mit seinen langen
Beinen. Der schwarze Mann folgte ihm. Es war ein schrecklicher, mühsamer Weg.
Aber endlich sah er, wie sich das Tier mit seinen Klauen in einem Baum festkrallte,
von einer Windbö erwischt wurde und herab fiel. Wie der Blitz war es wieder
auf den Beinen, hüpfte durch den Busch und schon war es außer Sicht.
Der Häuptling kehrte um. Er verfolgte die Spuren des Tieres zurück und gelangte
in ein Gebiet, wo es Bienen gab und Vögel und viele Farne mit fleischigen Wurzeln.
Auch Samen tragende Gräser.
Dorthin machte sich sein Stamm schließlich auf den Weg und blieb viele Tage. Ab und zu sahen sie das unbekannte Tier mit den langen Beinen, aber es dauerte lange, bis sie es mit ihren Wurfspießen erwischen
und töten konnten. Das Fleisch war gut und das Fell gab einen guten Pelz ab.
Viele Jahre später fand man heraus, wie man die Tierhaut f ärben konnte. Die tiefroten Früchte des Blutbaums wurden in Wasser eingeweicht und nach einigen Tagen hatte das Fell die Farbe angenommen. Von da an haben die Aborigines alle Tierhäute so gefärbt.
Jeder hatte das Wunder in der Luft gesehen. Und alle glaubten, ihr Häuptling
habe es zusammen mit dem Großen Geist bewirkt. Und das Känguru – so nannten
sie das wunderliche Tier - sei von weit her übers Meer geschickt worden, um
ihnen beizustehen.
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